– Anzeige –
Zur Person
Ernst König (43) studierte Agrarwirtschaft und Informatik und war als Marketingverantwortlicher sowie Geschäftsführer bei nationalen Verbänden und Organisationen tätig. Seit 2018 ist der gebürtige Berner Direktor von «Swiss Sport Integrity».
Ernst König spielte Eishockey und nahm als aktiver Leichtathlet an Marathons teil. Er engagierte sich als Präsident eines Eishockeyclubs und Mitorganisator von Laufveranstaltungen. Heute trifft man ihn auf dem Velo oder beim Laufen an.
Ernst König ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
Ernst König, beginnen wir mit einer These: Nur im Spitzensport lohnt sich Doping. Im Breitensport wird deshalb nicht kontrolliert. Was sagen Sie dazu?
Ernst König: Grundsätzlich lohnt es sich nie, auch im Spitzensport nicht. Aber wenn Sie auf die Kontrollsituation anspielen: Beim Doping ist der Spitzensport unser Fokus. Das heisst nicht, dass wir im Breitensport gar nichts machen. Die Regeln sind für alle dieselben. Aber machen wir im Fünftliga-Fussball regelmässig Dopingkontrollen? Nein, es wäre falsch. Schon aufgrund der grossen Anzahl von lizenzierten Athletinnen und Athleten, die es dort gibt. Antidoping-Arbeit ist teuer, wir rechnen bei einer Dopingkontrolle mit etwa 1'000 Franken. Es geht um die Effizienz der eingesetzten Gelder, die aus unserer Sicht im Spitzensport gegeben ist. Aber wir können und dürfen jederzeit testen, auch auf tieferem Leistungsniveau, und wir machen es auch. Das tönt jetzt wie ein Widerspruch, ist es aber nicht. Denn wir machen es gezielt, praktisch ausschliesslich im Verdachtsmoment.
Wer trägt diese Verdachtsmomente an Sie heran?
Wir haben ein Meldeportal, über das man uns einen Verdacht oder Vorfall übermitteln kann, namentlich oder anonym. Das kommt eher selten vor, kann aber zu einer Kontrolle führen, wenn sich der Verdacht erhärtet. Was häufiger vorkommt, ist eine Zusammenarbeit mit den Grenzbehörden. Wenn der Zoll verbotene Substanzen in Paketen findet, prüfen wir, ob die Empfängeradresse auf jemanden lautet, der dem Doping-Statut untersteht. Falls ja, ist das ein potenzieller Dopingverstoss, und es kann sein, dass wir dort gezielt eine Kontrolle durchführen.
Ist der Import von Dopingsubstanzen strafbar?
Nein. Der Gesetzgeber möchte die Verfügbarkeit von Dopingmitteln einschränken, weil sie gesundheitlich schädlich sind. Das heisst, der Import ist verboten, egal ob Sporttreibende oder nicht. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit strafbar. Die Schweiz geht hier einen Sonderweg, in allen umliegenden europäischen Ländern ist der Eigenkonsum von Dopingsubstanzen unter bestimmten Umständen strafbar, bei uns ist dies nicht der Fall. Es gibt keine Busse für den Import, die Person muss lediglich die Vernichtung zahlen. Strafbar sind aber Handel, Abgabe oder Herstellung von verbotenen Produkten.
Interview mit Ernst König zum Thema Doping
Warum bestellen Sportlerinnen und Sportler trotzdem verbotene Substanzen?
Häufig aus Unwissen und aus ästhetischen Gründen. Bei den Amateurfussballspielern haben wir regelmässig solche Fälle. Sie können uns glaubhaft darlegen, dass sie die Substanzen nicht bestellt haben, um besser Fussball zu spielen. Sie wollen fit aussehen, auch auf sozialen Medien. Aber es macht für uns keinen Unterschied, ob es für den Lifestyle oder zur Leistungssteigerung ist. Wenn jemand mit einer Lizenz im Turnsport eine verbotene Substanz bestellt, egal wofür, ist das ein potenzieller Dopingverstoss und kann zu einer Sperre führen.
Das führt uns zur ‹Strict Liability›. Was ist darunter zu verstehen?
Jede Athletin und jeder Athlet ist selbst dafür verantwortlich, was in ihren und seinen Körper hineingelangt. Und zwar unabhängig davon, ob es absichtlich passiert oder nicht. Wenn jemand Nahrungsergänzungsmittel aus unseriösen Quellen kauft und konsumiert, finden sich häufig Verunreinigungen, die verboten sind. Ist ein positiver Dopingbefund auf diese Verunreinigungen zurückzuführen, schützt dies nicht vor Strafe, kann höchstens strafmildernd sein.
Warum ist der Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln noch problematisch?
Eine der wichtigsten Fragen, die sich jeder Sporttreibende stellen sollte, ist: Brauche ich dieses Mittel überhaupt? In 99 Prozent der Fälle ist die Antwort nein. Dennoch konsumieren 95 Prozent aller Athletinnen und Athleten Nahrungsergänzungsmittel. Viel wichtiger wäre eine ausgewogene Ernährung. Wenn man tatsächlichen Bedarf hat, raten wir zur Vorsicht. Leider gibt es für den kleinen Schweizer Markt wenig zertifizierte Produkte. Wir können unseren Athletinnen und Athleten auch keine Empfehlungen abgeben. In der Prävention raten wir, Nahrungsergänzungsmittel nur von seriösen Schweizer Herstellern zu erwerben. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt auch das nicht, aber eine hohe.
Können Medikamente wie aktuell Erkältungs- und Grippemittel auch ein Problem sein?
Ja, absolut. Auch hier gilt das Prinzip der ‹Strict Liability›. Wenn jemand beabsichtigt, Medikamente zu sich zu nehmen, empfehlen wir dringend, diese zu prüfen. Man sollte in keinem Fall ein Medikament einnehmen, ohne es vorher auf unserer Medikamentenabfrage zu testen. Und zwar selbst prüfen, sich nicht auf andere verlassen, auch nicht auf Ärztinnen und Ärzte, die nicht in der Sportmedizin zu Hause sind. Wir hatten im letzten Sommer den Fall Kariem Hussein, der diese Abfrage unterlassen hat, mit bekanntlich unschönen Folgen.
Wie verhält es sich mit Doping im Turnsport? Auch im Vergleich mit anderen Sportarten?
Die Dopingrate im Turnsport ist tief. National und international sind die Raten hoch bei den Sportarten, die man allgemein mit Dopingmissbrauch in Verbindung bringt. Das sind häufig Ausdauersportarten, Leichtathletik, Rad, Skilanglauf und Kraftsportarten wie Gewichtheben. Der Turnsport ist da nicht dabei. Das heisst aber nicht, dass es keine Fälle gibt. Denn Kraft ist im Turnen in vielen Disziplinen ein zentrales Element. Aufgrund dessen ist das potenzielle Risiko für einen Dopingmissbrauch durchaus vorhanden.
Muss ich als Turnerin an jedem Wettkampf mit einer Dopingkontrolle rechnen? Oder erst ab einem bestimmten Level?
Grundsätzlich haben wir das Recht, immer und überall zu testen. Über zwei Drittel unserer Kontrollen finden ausserhalb von Wettkämpfen statt. Unser Fokus liegt aber auf dem Spitzensport. An einem Turnfest ist die Wahrscheinlichkeit einer Dopingkontrolle eher klein.
Wie schärfen Sie das Bewusstsein für das Thema Doping im Breitensport?
Das ist schwierig. Und es ist tatsächlich ein Präventionsproblem. Unser Fokus liegt auf dem Spitzensport. Uns ist bewusst, dass wir im Breitensport nur eingeschränkte Möglichkeiten haben. Wir setzen stark auf die Zusammenarbeit mit Swiss Olympic und den Verbänden, bei denen die hauptsächliche Verantwortung liegt. Wir helfen mit, wir sind verantwortlich, dass die Informationen korrekt und in einer möglichst zugänglichen Art aufbereitet sind, so dass sie von den Zielgruppen verstanden werden. Aber sicherstellen, dass alle Athletinnen und Athleten die Regeln kennen, können wir nicht. Der Breitensport wird in der Dopingprävention tatsächlich etwas vernachlässigt.
Kennen Breitensportlerinnen und Breitensportler ihre Rechte und Pflichten hinsichtlich Doping?
Schlecht. Aber wir haben sehr wenig mit ihnen zu tun. Es gibt circa 2 Millionen Sportlerinnen und Sportler in der Schweiz, unmöglich, dass wir alle erreichen. Was wir feststellen: Bei Dopingfällen mit grosser medialer Aufmerksamkeit explodiert die Zahl der Medikamentenabfragen. Dass die Dopingliste auch für sie gilt, realisieren viele leider erst dann, wenn ein grosser Fall publik wird.
Welche Ziele möchten Sie mit ‹Swiss Sport Integrity› in den nächsten Jahren erreichen?
Wir haben grosse Ziele. Wir sind dabei, den neuen Bereich Ethikverstösse zu implementieren. Dessen Bekanntheit ist uns sehr wichtig, vor allem im Breitensport. In der Prävention haben wir eine grosse Offensive bis 2024 gestartet. Über 20'000 Athletinnen und Athleten haben eine Swiss Olympic Card. Unser Ziel ist, dass ihr Erstkontakt mit uns eine Präventionsveranstaltung ist – und nicht eine Dopingkontrolle.
Doping in Zahlen
- Über 300 Turnende des STV wurden 2021 an 11 Präventionsveranstaltungen zum Thema Antidoping ausgebildet.
- Gegen 2 Millionen Aktivmitglieder in 18'310 Schweizer Sportvereinen unterstehen dem Doping-Statut von Swiss Olympic.
- Rund 1000 Franken kostet eine Dopingkontrolle.
- Jeweils über 2000 Dopingkontrollen führt Swiss Sport Integrity in normalen Jahren durch.
- 1'471 Athletinnen und Athleten erhielten 2020 einen persönlichen Antidoping-Workshop, 8'958 eine digitale Schulung.
Tipps zur Dopingprävention
Gut informieren: Rechte und Pflichten kennenlernen und in der Broschüre «Gemeinsam für sauberen Sport» von Swiss Sport Integrity. Weiterbilden mit dem E-Learning-Kurs Clean Winner, Wissen testen mit dem PlayTrue Quiz/Youth Quiz der WADA.
Gezielt auswählen: Nahrungsergänzungsmittel von vertrauenswürdigen Schweizer Herstellern kaufen und konsumieren. Bevorzugt gesunde Sporternährung, Infos und Fachpersonen dazu findet ihr über Swiss Sports Nutrition Society.
Unbedingt prüfen: Medikamente vor der Einnahme immer mit der Medikamentenabfrage testen, via Mobile App oder auf www.sportintegrity.ch/medikamente.