– Anzeige –
21 Untersuchungen führte die Ethikkommission des STV in den Jahren 2020 bis 2022. Wertvoll waren nicht bloss diejenigen, die mit dem Befund eines Ethikverstosses und einer empfohlenen Sanktion endeten, sondern der Umstand, dass es nun eine Stelle gab, die überhaupt unabhängig untersuchte, zuhörte und beriet. Der Druck war in den Monaten unmittelbar nach der Wahl sehr gross, ebenso die Arbeitslast.
Der STV war soweit ersichtlich der einzige Sportverband in der Schweiz, welcher gerade noch rechtzeitig eine solche unabhängige Kommission in dieser Grösse und Vielfalt gründete. Aber der Turnsport war freilich nicht der einzige Sport, den das Thema betraf, auch wenn die Berichterstattung in den Medien diesen Eindruck gelegentlich erweckte. Folgerichtig wurde SSI rascher ins Leben gerufen, wo heute ein einheitliches Verfahren für alle Sportarten greift.
Ethik im Sport ist weiterhin ein kontrovers diskutiertes Thema. Korrektes ethisches Verhalten, beziehungsweise die Verletzung des Ethikstatuts, ist nicht messbar wie eine Blutprobe. Wer bestimmt, was noch erlaubt ist und was nicht mehr? Wie liegen die Umstände im konkreten Einzelfall? Welche Beweise sind zulässig und wie werden sie gewürdigt? Es ist wichtig, dass heute im Zweifelsfall Meldung bei SSI zu erstatten ist. Das wird gelegentlich als Vorverurteilung verstanden, was es aber nicht ist. SSI untersucht unabhängig und stellt die Verfahren ein, wenn sich Verdachtsmomente nicht erhärten. Erkennt SSI einen Verstoss, wird der Bericht vom Sportgericht beurteilt. Dennoch bringt das System für den turnerischen Alltag praktische Schwierigkeiten mit sich: Organisationen werden bei Meldungen gespalten, Trainerinnen und Funktionäre verunsichert. Angeschuldigte können vorverurteilt werden, Betroffenen dauern die Verfahren (noch) zu lange. Dabei wollen alle dasselbe: Sauberen Sport, auch im Bereich der Ethik. Dafür lohnt sich der «Hosenlupf». Auch wenn heute Ethikmeldungen leider häufig bei anderweitigen schwelenden Konflikten missbraucht werden. Wie auch anderswo in unserer Gesellschaft wäre es wünschenswert, wenn Konflikte etwas gemässigter, mit mehr gesundem Menschenverstand, sachlicher und respektvoller ausgetragen würden. Die Ethikstandards dürfen nicht für Individualinteressen missbraucht werden. Das gilt zunehmend auch für einzelne Elternteile, welche von den häufig ehrenamtlich tätigen Trainerinnen und Funktionären viel einfordern, selber aber gelegentlich respektvolle Benimmregeln vermissen lassen.
Die Mitglieder der EK STV verabschieden sich nach vier Jahren. Die Arbeit war intensiv und nicht umsonst. Viel hat sich bewegt beim STV und das Bewusstsein für das Thema ist auf allen Stufen gross. Besonders gefreut hat mich in den letzten Wochen und Monaten, dass viele Beratungsanfragen aus den Vereinen und den kantonalen Verbänden kamen, die sich bewusst sind, dass beim Thema frühzeitig hingeschaut werden muss und dass es die EK STV als unabhängige Beratungsstelle gibt, die für sie da ist. Häufig konnten wir bei Anfragen pragmatisch und schnell weiterhelfen und eine Einschätzung im Sinne des Sports geben.
Für die gute Zusammenarbeit mit vielen Stellen im Turnsport bedanke ich mich ebenso wie bei meinen Kolleginnen und Kollegen Valentina, Ursula, Christian und Roman. Wir kannten uns vor der Wahl nicht, aber ich hätte selbst kein besseres Team zusammenstellen können!