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Zur Person
Laura di Romualdo (24) ist seit 2021 Vizepräsidentin im Turnverein Belp. In dieser Funktion erarbeitete sie ein Präventionskonzept. Das Thema liegt ihr auch persönlich am Herzen. Di Romualdo studiert Deutsch und Geschichte im Master an der Uni Bern und arbeitet nebenbei als Front Office Agent in einem Hotel. Zu ihren Hobbys zählen Gymnastik, Zeit draussen verbringen sowie lesen und schreiben.
Laura di Romualdo, was hat den Ausschlag gegeben, dass euer Verein sich stark mit Prävention auseinandersetzt?
Das Thema war unserem Verein schon länger ein Anliegen. Die Wichtigkeit wurde schnell erkannt, doch die Umsetzung in die Praxis liess auf sich warten. So blieb diese Thematik eine Zeit auf der Pendenzenliste liegen – bis im Jahr 2020. Da wurde ich als Vizepräsidentin in den Vorstand gewählt und bekam diese Aufgabe anvertraut. Auch wenn ich schon ahnte, dass da ein ziemliches Stück Arbeit auf mich zukommt, habe ich dies gerne übernommen. Das Thema ist einfach sehr wichtig.
Wie sieht euer Präventionskonzept aus?
Unser Präventionskonzept hält die Ziele und Regeln im Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Verein zu deren Schutz vor jeglicher Form von Gewalt schriftlich fest. Das Konzept gibt aber auch dessen Umsetzung – beispielsweise der organisatorische Aufbau des Präventionsteams – vor. Es hält ausserdem die Interventionsschritte im Falle von Grenzüberschreitungen fest. Das Konzept enthält zudem einen Verhaltenskodex, an den sich alle im Verein zu halten haben. Weiter finden sich Verhaltensregeln für Leitende und Betreuungspersonen im Training und bei der Durchführung von Trainingslagern. Auch die Ethik-Charta von Swiss Olympic ist im Konzept aufgeführt.
Das Präventionskonzept dient also zum einen als Handlungsanweisung für alle, die im Verein tätig sind. Zum anderen soll es zu einer Atmosphäre der Aufmerksamkeit beitragen und somit präventivdafür sorgen, dass potenzielle Täterinnen oder Täter keine Chance haben, unsere Kinder und Jugendlichen zu gefährden beziehungsweise dafür zu sorgen, dass sie erst gar nicht im Verein aktiv werden.
Wie seid ihr bei der Erarbeitung vorgegangen?
Als ich 2020 mit der Erstellung des Präventionskonzeptes begonnen habe, konnte ich kaum auf Vorlagen aus dem Turnsport zurückgreifen. Das, was ich finden konnte, habe ich zusammengetragen und in unser Konzept einfliessen lassen. Besonders orientiert habe ich mich an den Unterlagen von Swiss Olympic und an anderen Konzepten – etwa von Schulen. Als per 1. Januar 2022 das Ethik-Statut des Schweizer Sports in Kraft trat, wurde auch dieses aufgegriffen. Generell ist uns im Präventionsteam bewusst, dass ein solches Konzept stets im Wandel ist und laufender Aktualisierung bedarf.
Wie setzt ihr das Konzept um?
Zentral bei der Umsetzung eines solchen Konzeptes ist die Mithilfe aller. Zunächst muss organisatorisch alles geklärt sein. Dies haben wir durch die Neuschaffung der Funktion der präventionsverantwortlichen Person gelöst. Mit einem Präventionsanlass im Jahr 2021 haben wir den Verein für das Thema sensibilisiert. Die beim Aufbau des Präventionskonzeptes angesprochenen Dokumente sind zu einem Präventionsdossier zusammengefasst. Die Verpflichtungserklärung ist ebenfalls ein zentrales Element bei der Umsetzung – genauso wie das Instrument, das uns durch das Einreichen des Sonderprivatauszuges zur Verfügung steht. Dieser wird uns alle drei Jahre vorgelegt.
Welche Aufgaben haben die präventionsverantwortlichen Personen?
Beim Erstellen des Präventionskonzept haben wir schnell bemerkt, dass es Sinn macht, eine neue Kommission zu schaffen, über die ich als Vizepräsidentin den Vorsitz habe. So fungiere ich als eine Art Brücke zwischen Vorstand und den Präventionsverantwortlichen. Dies war wichtig, um bestmögliche Neutralität zu garantieren. So konnte eine Anlaufstelle geschaffen werden, die nicht direkt im Vorstand angegliedert ist.
Die Hauptfunktion der Präventionsverantwortlichen besteht darin, vertrauensvolle Kontaktperson für alle Vereinsmitglieder, Eltern, Angehörige, Leit- und Drittpersonen zu sein. So wären auch sie diejenigen, die Schritte zur Intervention einleiten würden. Zudem erfüllen sie weitere wichtige Aufgaben wie etwa die Mitplanung der Präventionsanlässe und der dort stattfindenden Workshops.
Wie wurde das Konzept von den Mitgliedern aufgenommen?
Viele konnten sich zunächst nicht viel unter einem Präventionskonzept vorstellen. Dies hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass dieses Thema bei uns im Verein aufgegriffen wurde, bevor es auch in den Medien immer grössere Wellen schlug. Uns war es von Anfang an wichtig, unsere Mitglieder und vor allem auch die Leitenden abzuholen und ihnen zu vermitteln, dass das Konzept fürund nicht gegen sie ist. Dies haben wir spätestens mit dem Präventionsanlass erreicht.
Ein solches Konzept kann gerade auch fĂĽr die Leitenden ein Schutz sein. Es soll nicht nur eine Anlaufstelle fĂĽr Kinder oder Eltern, sondern auch fĂĽr Leitende bei Fragen und Unsicherheiten sein. Auch wichtig war es, von Beginn weg den gesamten Verein zu informieren und auf dem Laufenden zu halten. So wurde an der Hauptversammlung 2020 auch die Ethik-Charta in den Statuten verankert.
Wie habt ihr den Vereinsmitgliedern die Thematik Prävention nähergebracht?
In erster Linie durch den bereits mehrfach erwähnten Präventionsanlass. Wir haben diesen damals im 2021 «Leiteranlass zur Orientierung über das neue Präventionskonzept des TV Belp» genannt. Organisiert haben den Anlass unsere drei Präventionsverantwortlichen und ich. Durchgeführt wurde dieser mit allen Leitenden der Jugend sowie Hauptleitenden der Aktiven und den anderen Vorstandsmitgliedern. Wir haben am Anlass vier Workshops zu den Themen Einführung ins Präventionskonzept, Verhaltenskodex, Gleichbehandlung für alle und Selbstschutz durchgeführt. Dabei konnten wir einerseits auf die durch uns erstellten Dokumente zurückgreifen, andererseits aber auch auf Bestehendes wie etwa die «Spirit of Sport Challenge»-App von Swiss Olympic. Uns war sehr wichtig, dass wir unsere Message, dass all das fürund nicht gegen die Leitenden ist, rüberbringen konnten. Dies ist uns glücklicherweise gelungen. Das Thema stiess auf grosses Interesse.
Gab es seither schon Ereignisse, in denen ihr froh wart auf das Präventionskonzept zurückgreifen zu können?
Nicht im negativen Sinne – da scheint das Konzept seinen Sinn der Prävention zu erfüllen – zum Glück! Sehr wohl zum Einsatz kommen jedoch zum Beispiel die angesprochenen Merkblätter, die unseren Mitgliedern – zum Beispiel in unserem jährlichen Jugendlager – als Orientierungshilfe dienen. Darüber freuen wir uns sehr. Auch bei Anlässen wie dem Jugend-Gerätecup, den wir jährlich durchführen oder dem Mittelländischen Turnfest, bei dem wir im Juni 2024 rund 2000 Kinder und Jugendliche bei uns im Belpmoos erwarten, sind wir froh, dass wir nicht noch schnell ein solches Konzept aus dem Boden stampfen müssen.
In eurem Präventionskonzept liegt der Fokus auf dem Kinder- und Jugendschutz. Gibt es noch andere Aspekte, mit denen ihr euch befasst?
Wie bereits erwähnt, gibt es immer etwas zu tun. Wir freuen uns, in Zukunft weitere Schritte anzupacken, wie etwa der vermehrte Einbezug der Eltern und Betreuungspersonen. Auch weitere Themen wie die Ausweitung auf die erwachsenen Mitglieder oder Prävention im Sinne von Gesundheitsförderung sind denkbar.
Warum ist es deiner Meinung nach wichtig, dass sich Vereine mit dem Thema Prävention auseinandersetzen?
Vereine tragen eine Verantwortung gegenüber ihren Mitgliedern, für deren Sicherheit und Wohlbefinden zu sorgen. Indem sie sich mit Prävention auseinandersetzen, zeigen Vereine, dass sie diese Verantwortung ernst nehmen. Dies stärkt das Vertrauen der Mitglieder in den Verein und fördert eine positive Vereinskultur.
Doch darüber hinaus, reicht diese Verantwortung bis in die Gesellschaft hinein: Als Verein ist man in der Gemeinschaft verwurzelt. Indem man sich mit Prävention auseinandersetzt, kann man sich als Verein eine positive Reputation aufbauen und zeigen, dass man sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist. So kann auch dies ein Faktor sein, neue Mitglieder gewinnen zu können. Für mich ist klar: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Prävention ist für Vereine eine klare Win-Win-Situation.
Tipps und Tricks, wie Vereine das Thema angehen können?
Mittlerweile gibt es zahlreiche grossartige Hilfestellungen im Internet. So etwa auf der Website von Swiss Sport Integrity. Zudem hilft der Austausch mit anderen – seien dies Fachstellen oder Vereine. So erhalten auch wir seit der öffentlichen Publikation des Präventionskonzepts im Dezember 2021 immer wieder mal Anfragen von Turn- aber auch von anderen Sportvereinen, wie zum Beispiel Fussballclubs. Darüber freuen wir uns sehr. Es gibt kaum einen schöneren Lohn für seine Arbeit, als wenn man andere motivieren kann, am gleichen Strang zu ziehen.
STV-Webinput «Präventionsverantwortliche»
Der STV will sich verstärkt in der Prävention im Vereinsalltag einsetzen. Die Sensibilisierung für ethische Themen soll auch mit einer verantwortlichen Person im Bereich der Prävention, einer sogenannten präventionsverantwortlichen Person, vorangetrieben werden. So sollen die neusten Entwicklungen und Informationen besser und schneller an die Vereinsmitglieder gelangen. Zudem können Plattformen geschaffen werden, um einen regelmässigen Austausch zu diesen Themen innerhalb des Vereines zu ermöglichen. Berührungsängste und Hemmungen gegenüber Ethik-Themen sollen abgebaut und im Verein enttabuisiert werden. Somit kann Sicherheit im Umgang mit ethischen Themen geschaffen werden.
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