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Die Pandemie hat die Vereinslandschaft in der Schweiz auf die Probe gestellt. Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen und es zeigt sich, dass sich die Strukturen der Sportvereine äusserst stabil erwiesen haben. Laut Siegfried Nagel, Professor für Sportwissenschaft an der Universität Bern, gab es kein flächendeckendes Vereinssterben. «Unsere Studien zeigen, dass die Mitgliederzahlen weitgehend konstant geblieben sind», erklärt er. Trotz finanzieller Probleme in Einzelfällen und veränderter Interessen der Mitglieder blieben die Vereine als soziale Netzwerke erhalten. Besonders auffällig sei der gestiegene Frauenanteil, etwa im Frauenfussball.
«Vereine bieten mehr als nur Dienstleistungen – sie sind soziale Netzwerke.»
Die Stärke der Vereine liege in ihrer Gemeinschaftsorientierung und der Flexibilität, die durch demokratische Entscheidungsstrukturen und Ehrenamtlichkeit möglich werde. Während kommerzielle Anbieter mit festen Kosten kämpften, konnten Vereine ihre Angebote schnell anpassen, ohne finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Zudem blieb die Solidarität vieler Mitglieder ungebrochen, was zeigt, dass Vereine mehr als reine Dienstleister sind: Sie sind Orte der Begegnung und der Pflege von Freundschaften.
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Das Wichtigste in Kürze
- Vereine haben die Pandemie gut überstanden, die Mitgliederzahlen blieben stabil und der Frauenanteil stieg in einigen Bereichen.
- Professionalisierung bedeutet strategisches Denken, nicht zwangsläufig bezahltes Personal. Digitalisierung und effiziente Strukturen sind Schlüsselfaktoren.
- Fusionen können sinnvoll sein, müssen aber gut geplant werden. Kooperationen können ein erster Schritt sein.
- Mitgliederbindung gelingt durch attraktive, zielgruppenspezifische Angebote und die Einbindung in ehrenamtliche Aufgaben.
- Kleine Schritte wie die Digitalisierung von Prozessen können grosse Wirkung haben.
Professionalisierung: Eine Frage der Einstellung
Professionalisierung wird oft mit steigenden Kosten oder bezahltem Personal gleichgesetzt. Doch laut Nagel bedeutet Professionalisierung vielmehr strategisches Denken und die Optimierung von Abläufen. «Es geht darum, klare Ziele zu formulieren, Prozesse effizient zu gestalten und digitale Tools einzusetzen», sagt der Experte. Auch ehrenamtliche Arbeit könne professionell organisiert werden, beispielsweise durch Stellenbeschreibungen und Nachfolgeplanungen. Entscheidend sei nicht die Anstellung, sondern die Einstellung, mit der Herausforderungen angegangen werden.
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Vereinsmanagement: Unternehmerisches Denken für den Erfolg
Ein effektives Vereinsmanagement hilft dabei, den Verein langfristig attraktiv zu gestalten – für Mitglieder wie auch für Ehrenamtliche. Dazu gehören das Setzen klarer Ziele, die Definition von Handlungsfeldern und die effiziente Organisation von Strukturen. Allerdings stehen viele Vereine vor der Herausforderung begrenzter Ressourcen. «Viele Vorstände stecken im Tagesgeschäft fest und können keine langfristigen Projekte umsetzen», erklärt Nagel. Zudem herrsche oft Skepsis gegenüber Veränderungen. Traditionsorientierte Einstellungen wie «Das haben wir schon immer so gemacht» hinderten Vereine daran, auf neue Anforderungen wie Digitalisierung oder geänderte Mitgliederbedürfnisse zu reagieren.
Ein gutes Management erleichtert die Arbeit für alle Beteiligten und sorgt dafür, dass der Verein langfristig attraktiv bleibt.
Fusionen und Kooperationen: Eine Frage der Identität
Um Ressourcen zu bündeln, könnten Fusionen von Vereinen eine Lösung sein. Doch Nagel mahnt: «Fusionen müssen gut geplant sein und die Mitglieder von Anfang an eingbunden.» Der Prozess sei oft langwierig und erfordere Transparenz, da es nicht nur um Synergien, sondern auch um Identität gehe. Kooperationen könnten ein erster Schritt sein, um Vertrauen aufzubauen und gemeinsame Ziele zu verfolgen, ohne die Vereinsidentität zu gefährden.
Mitgliederbindung und Zielgruppenorientierung
Ein zentraler Punkt für die Zukunftsfähigkeit von Vereinen ist die Mitgliederbindung. Angebote, die sich an den Bedürfnissen verschiedener Altersgruppen orientieren, spielen dabei eine Schlüsselrolle. Insbesondere jugendliche Mitglieder wünschen sich oft trendgerechte und innovative Angebote statt klassischer Programme. Auch ältere Mitglieder könnten durch zielgruppenspezifische Angebote langfristig gehalten werden.
Kleine Schritte genügen
Nagel rät Vereinen, sich auf kleine, aber wirkungsvolle Schritte zu konzentrieren. «Man muss nicht gleich eine Geschäftsstelle einrichten. Schon die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen oder die gezielte Einbindung von Mitgliedern in ehrenamtliche Aufgaben kann viel bewirken.» Externe Beratung und Offenheit für neue Entwicklungen seien ebenfalls entscheidend, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu vergessen.
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Prof. Dr. Siegfried Nagel
Siegfried Nagel (*1968) ist Professor für Sportwissenschaft an der Universität Bern und leitet die Abteilung Sportsoziologie & -management. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Themen wie Professionalisierung, Ehrenamtlichkeit und Integration in Sportvereinen. Seit 2008 ist er an der Universität Bern tätig. Privat ist er begeisterter Skilangläufer und Orientierungsläufer.