«Ich wurde an einem Leichtathletik-Wettkampf vom damaligen Bobpiloten Daniel Suter angesprochen, ob ich Interesse hätte», erinnert sich Beat Hefti an seine ersten Kontakte mit dem Bobsport zurück. Im Juli 1998 absolvierte der Appenzeller seine erste Testfahrt und «bereits im November fuhr ich mein erstes Rennen», erinnert sich der Olympiasieger von 2014. So wie dem heute 43-Jährigen geht es den meisten, die den Weg in den Eiskanal finden. Denn Heftis Sportkarriere begann einst im Turnverein.
Versteckte Bob-Talente
Mittlerweile ist es der Schwellbrunner, der mit seiner «Bob Trophy», einer Bob-Anschiebebahn, seit fünf Jahren an Turnfesten nach Nachfolgern sucht – und dies erfolgreich. «Viele der heutigen Kaderathleten haben den Weg über die Trophy zum Bobsport gefunden», sagt Hefti. So verwundert es nicht, dass von den derzeitigen Kaderathletinnen und -athleten deren 35 eine Verbindung zum Schweizerischen Turnverband (STV) haben.
Doch was macht die STV-Turnenden so interessant? Schliesslich handelt es sich um ein Phänomen, dass seit Jahrzehnten anhält. «Diese Menschen können anpacken. Das braucht es im Bobsport», so das TV-Herisau-Mitglied. Durch die Vereinstrainings haben Turnende bereits eine sportliche Grundausbildung und zudem Potenzial, welches zu einem Bobathleten gefördert werden kann. «In den Turnvereinen gibt es viel versteckte Bobtalente», weiss Hefti.
Teamgeist ist wichtig
Ähnlich tönt es bei Rico Peter. Der Spartenchef Bob beim nationalen Verband Swiss Sliding, einst selbst Bobpilot und Mitglied des STV Kölliken, sieht einen weiteren Vorteil: «Der Teamgeist ist so wichtig wie im Turnverein. Einzelkämpfer eignen sich weniger.» Hinzu kommen Voraussetzungen wie Schnellkraft, Beweglichkeit und gute Sprint-Eigenschaften. «Leichtathletische Disziplinen werden in vielen Turnvereinen bereits trainiert, so etwas hilft als Grundvoraussetzung», ergänzt Peter.
Es sind viele Puzzleteile, die einen perfekten Bobathleten ausmachen. Während Peter den Turnenden einen gewissen Durchhaltewillen attestiert – «Turner können auf die Zähne beissen» –, sieht Hefti noch einen Aspekt neben dem Eiskanal: «Zum Bobfahren gehört auch handwerkliches Flair dazu. Es gibt viele Turnende, die beruflich in diesem Bereich tätig sind.»
Werbung für Dorf und Verein
Gerade weil sowohl Hefti als auch Peter ihre Karriere im Turnverein lanciert hatten und heute noch damit verbunden sind, freut es sie, dass sich nach wie vor viele Turnende von der Sportart begeistern lassen. Sie sehen sich jedoch nicht als Konkurrenz. Negative Rückmeldungen, er würde Mitglieder abwerben, erhalte er kaum, so Hefti: «Natürlich gibt es unterschiedliche Feedbacks. Aus eigener Erfahrung weiss ich aber, was ein Turner im Bobsport erreichen kann.» Im Gegenzug könne auch der Turnverein von den Bobfahrerinnen und -fahrern profitieren: «Gerade im Turnfest-Sommer hat der Verein dann einen gut trainierten Athleten in seinen Reihen», sagt Rico Peter.
Hefti sieht noch andere Vorteile: «Ist ein Turner im Bobsport erfolgreich, macht er damit Werbung für das Dorf, für seinen Turnverein und weckt das Interesse am Turnen allgemein.» Exemplarisch dafür sein damaliger Anschieber Alex Baumann, mit dem er 2014 in Sotschi Olympiasieger wurde. «Auch Alex stammt aus einem Turnverein und hat über die Trophy den Weg in den Bob gefunden», so Hefti.
Hoffnungsträger für 2026
Nachdem der Bobsport in der Schweiz vor einem Jahrzehnt praktisch brachlag, ist die Rekrutierung mit der mobilen Anschiebebahn mitunter eines der Erfolgsgeheimnisse des neuen Aufschwungs. Michael Vogt (STV Wangen SZ), Simon Friedli (Biberist aktiv!) oder Melanie Hasler (TV Thalwil) sind die derzeitigen nationalen Aushängeschilder und Hoffnungsträger hinsichtlich der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. «Die Medaillenchancen sind intakt», sagt Spartenchef Rico Peter. Noch mehr Potenzial für Schweizer Erfolge sieht er für die übernächsten Spiele 2026. Vogt und Co. zeigen, wie wichtig die Turnenden für den Bobsport sind. «Ohne diese wäre unser Sport, in dieser Breite an Athleten wie zurzeit, nicht denkbar», sagt Hefti. So wird der Appenzeller auch an den kommenden Turnfesten mit seiner «Bob Trophy» wieder nach TV-Mitgliedern suchen, die denselben Weg einschlagen möchten, wie er es einst getan hat.
Text: Thomas Ditzler
Foto: ETF 2019/Jürg Wolf
Foto ganz oben: Viesturs Lacis / Swiss Sliding
Bobathleten mit aktuellem STV-Bezug
A-Kader: Michael Vogt (Bobteam Vogt; STV Wangen/Sz), Alain Knuser (Team Vogt; STV Wangen/Sz), Sandro Michel (Team Vogt; SV Gipf-Oberfrick); Simon Friedli (Bobteam Friedli; Biberist aktiv!), Adrian Fässler (Team Friedli; TV Horgen), Andreas Haas (Team Friedli; STV Willisau), Gregory Jones (Team Friedli; TV Thalwil), Marco Leimgruber (Team Friedli; STV Herznach), Roger Leimgruber (Team Friedli; STV Herznach), Dominik Schläpfer (Team Friedli; TV Bauma); Irina Strebel (Bobteam Fontanive; TV Thalwil), Diana Zolliker (Team Fontanive; DR Weisslingen).
B-Kader: Marco Dörig (Bobteam Kuonen; TV Höri), Kai Tedeschi (Team Kuonen; STV Gampel); Florian Achermann (Bobteam Rohner Bulls; TV Brunnen), Maruan Giumma (Team Rohner Bulls; Satus Oberentfelden), Raphael Hofer (Team Rohner Bulls; Satus Gränichen); Melanie Hasler (Bobteam Hasler; TV Thalwil), Jasmin Näf (Team Hasler; TV Lütisburg), Janine Hottinger (Team Hasler; TV Hombrechtikon), Eveline Rebsamen (Team Hasler; STV Ballwil), Rahel Rebsamen (Team Hasler; STV Ballwil).
C-Kader: Quentin Juillard (Bobteam Moulinier; FSG Alle), Julien Matthys (Team Moulinier; FSG Vevey Jeunes Patriotes), Joachim Vogel (Team Moulinier; FSG Alle); Marco Lorenzoni (Team Lorenzoni; TV Wenslingen), Dominik Hufschmid (Team Lorenzoni; TV Oltingen), Omar Vögele (Team Lorenzoni; LC Turicum); Phil Fehse (Bobteam Follador; TV Wilen-Neunforn).
Diesen Beitrag findet ihr auch im GYMlive 1/2021 (erscheint am 10. März 2021).