Er will den Verband fit für die Zukunft machen

  • 30. August 2024

  • Marcel Habegger

  • Marcel Habegger / Alexandra Herzog

Stefan Riner (45) ist seit März Direktor des Schweizerischen Turnverbandes (STV). Im Interview spricht er über die Herausforderungen als Teilzeitdirektor, über Dinge, die er verändern will, seine persönlichen sportlichen Ziele und den Wert einer olympischen Medaille.

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Stefan Riner, deine Probezeit als Direktor ist vorbei. Wie sieht deine persönliche erste Bilanz aus?

Sehr positiv. Es war allerdings nicht ganz einfach, lediglich mit 50 Prozent einzusteigen und daneben noch 50 Prozent an anderen Orten zu arbeiten. Ich war auch mehrheitlich mit Sitzungen beschäftigt. Ich sage immer: Direktor kann man nicht zu 50 Prozent sein – man ist zwar verantwortlich, aber trotzdem nur die halbe Zeit da. Das ist schwierig.
 

100 Prozent wirst du erst ab September für den STV tätig sein. Was hast du nebenbei noch gemacht die letzten Monate?

Unter anderem habe ich das Finalturnier der Schweizer Nachwuchsmeisterschaft im Volleyball mitorganisiert. Bis Ende April war ich zudem beim Swatch Beach Pro Gstaad angestellt. Im Juni fand noch das Kreisturnfest in Schafisheim statt, bei dem ich als OK-Präsident aktiv war. Seit 1. Juni arbeite ich 80 Prozent, ab September dann 100 Prozent für den Turnverband.
 

In welchen Bereichen ist beim Turnverband aus deiner Sicht Steigerungspotenzial vorhanden?

Der Turnverband ist generell im Wandel, daher gibt es sicher einiges zu bearbeiten. Es war für mich in den ersten Wochen nicht ganz einfach, zu entscheiden, wo ich gleich Einfluss nehmen soll und was sich ohnehin in Entwicklung befindet. Ich wollte nicht zu forsch agieren, sondern zuerst ankommen.

Ein zentraler Punkt ist es, die Abläufe zu hinterfragen.

Was sind aktuell deine Hauptthemen?

Die verschiedenen Projekte und darunter Revitalisierungsprojekte. Die Überprüfung der Organisation steht dabei an oberster Stelle.
 

In einer Medienmitteilung hast du vor deinem Antritt gesagt, du würdest gerne einen Kulturwandel herbeiführen. Was hast du damit genau gemeint?

Mit der Vision und der Strategie 2032 hat der STV verschiedene Handlungsfelder definiert. Dazu gehört auch, den Turnverband und seine Strukturen zu überprüfen und allenfalls neu aufzustellen. Dazu gehört Abläufe, die über die Jahre gewachsen sind, zu hinterfragen. Das ist ein zentraler Punkt.
 

An welche Abläufe denkst du konkret?

Ich denke dabei an die Trägheit, die eine Verbandsstruktur durch verschiedene statutarische Regelungen hat. Diese Strukturen müssen wir überprüfen. Ist die Zusammenarbeit der Gremien von der Abgeordnetenversammlung bis zu den Mitgliederverbänden noch zeitgemäss? Das ist ein wichtiger Teil des Revitalisierungsprogramms, um den Verband fit für die Zukunft zu machen.

Das Vereinsleben muss auf jeden Fall hochgehalten werden.

Du hast es bereits angesprochen: Beim Turnfest in Schafisheim warst du im Juni OK-Präsident. Nachdem du Geschäftsführer des Eidgenössischen in Aarau gewesen warst, organisiertest du das Turnfest in Schafisheim an einem Nachmittag?

(Lacht) Ja, das hatte ich mir auch so vorgestellt. Nein, ein Kreisturnfest und ein Eidgenössisches sind eigentlich dasselbe. Das eine Fest ist einfach viel grösser. Die Vielfalt der Aufgaben ist aber fast identisch, einfach in viel kleineren Dimensionen. Der Unterschied ist zudem: An einem Eidgenössischen haben die Personen im OK vielleicht mehr Erfahrung als bei einem Kreisturnfest. Das war für mich manchmal eine Herausforderung, zu spüren, wo wie viel Anleitung benötigt wird. Beim Eidgenössischen war das Amt des Geschäftsführers zudem mein Beruf und ich übte das Amt in meiner Arbeitszeit aus. In Schafisheim wurde alles von fast allen in der Freizeit organisiert. Aber egal wie, bei beiden ist ein gutes Team das A und O.
 

Das nächste Eidgenössische findet in einem Jahr statt. Denkst du da: «Zum Glück muss ich nicht mehr …» oder «Doch, das hätte ich gerne nochmals gemacht …»?

Es ist momentan speziell. Vieles, das aktuell im Rahmen des Eidgenössischen Turnfests in Lausanne auf unterschiedlichen Stufen diskutiert wird, kommt mir bekannt vor. Es hat seinen Reiz, ein solches Fest zu organisieren, da kommen auch gute Erinnerungen auf. Es ist aber auch spannend, dies auf der Seite des Verbandes mitzuverfolgen.
 

Inwiefern?

Als OK sieht man das eine oder andere vielleicht etwas anders als der Verband. Oder gewisses Hintergrundwissen fehlte uns als OK damals.
 

Wie sehr bist du eigentlich selbst noch aktiv?

Ich bin noch ein aktives Mitglied des Turnvereins Schafisheim. Seit März war ich aber nicht mehr oft im Training, da die Abende mit Sitzungen belegt waren. Aber ich habe vor, nächstes Jahr am Eidgenössischen erneut bei einer Disziplin mitzumachen. Das war mir ja während des Eidgenössischen in Aarau als Geschäftsführer ebenfalls gelungen.
 

Eigentlich bist du aber heute mehr Läufer als Turner, oder?

Aktuell auch nicht so intensiv wie auch schon. Laufen ist für mich ein idealer Ausgleich zur Arbeit. Um mich zu motivieren und mir ein Ziel zu setzen, nehme ich hin und wieder an einem Marathon teil. Es ist nicht so, dass Laufen meine grösste Leidenschaft wäre, aber es hilft mir, mich fit zu halten.

Im Juni 2024 fungierte Stefan Riner noch als OK-Präsident des Turnfestes in Schafisheim.

Wo steht der Verband aktuell hinsichtlich der Aufarbeitung der Negativmeldungen im Leistungssport?

Da hat man in den letzten Monaten einen sehr grossen Aufwand betrieben und sehr viele Massnahmen umgesetzt. Ich habe den Eindruck, es wurde sehr, sehr viel unternommen, wenn man auch bedenkt, dass die Negativmeldungen im Vergleich zur Gesamtgrösse des Verbandes einen sehr kleinen Bereich betrafen. Trotzdem sind die eingeleiteten Massnahmen natürlich wichtig und richtig.
 

Diesen Sommer waren die Olympischen Spiele in Paris. Hast du selbst einmal von einer olympischen Medaille geträumt?

Es ist so, dass ich in jenen Sportarten, die ich ausgeübt habe, relativ talentfrei gewesen bin. Ich habe die Spitzenathleten immer bewundert – von einer Medaille geträumt habe ich persönlich aber nie, da war ich wohl schon früh realistisch genug.
 

Aber für einen Sportverband sind olympische Medaillen sehr wichtig. Weshalb ist das so?

Ja, durch die dadurch gewonnene Medienpräsenz werden solche Erfolge natürlich sehr wichtig. Viele Kinder und Jugendliche werden durch diese Erfolge inspiriert, ebenfalls einem Sportverein beizutreten.
 

Wenn du wählen müsstest zwischen einer olympischen Medaille einer Kunstturnerin oder eines Kunstturners und fünf Jahre keine Vakanzen in den Vereinen, was würdest du wählen?

(Überlegt lange) Das ist eine schwierige Frage. Da schlagen zwei Herzen in mir: das eine für die Bekanntheit des Turnsports, das andere für die Breite der Vereine. Ich bin froh, muss ich diese Wahl nicht treffen.
 

Wie kann der Dachverband die Vereine unterstützen, um den Problemen mit den Vakanzen im Vorstand, aber auch bei den leitenden Personen entgegenzuwirken?

Wir haben ein Revitalisierungsprojekt, das sich mit diesem Thema beschäftigt und Vereine dabei coacht, wie sie unter anderem die Suche nach Vorstandsmitgliedern am besten angehen. Die Förderung des Ehrenamts ist beim STV in der Vision verankert und eine Stossrichtung in der Strategie 2032.
 

Jürg Stahl, der Präsident von Swiss Olympic, hat in einem Interview im Frühjahr gesagt, die Vereine müssten sich öffnen und auch Angebote für Leute schaffen, die nicht dem Verein angehörten. Siehst du das genauso?

Das wäre sicher einen Versuch wert. Es ist aber ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite ist es eine Chance, potenzielle Neumitglieder in die Nähe des Vereins zu führen, auf der anderen Seite könnte es mehr Trittbrettfahrende geben, die zwar vom Angebot profitieren, aber sich nicht für den Verein engagieren. Das würde das Vereinsleben wohl langfristig schwächen. Ich glaube, das muss jeder Verein für sich entscheiden. Wir haben dies bei unserem Verein früher schongemacht und fanden so tatsächlich auch das eine oder andere Neumitglied. Man sollte es aber auch nicht zu fest pushen, das Vereinsleben muss auf jeden Fall hochgehalten werden.

5 Fragen und Antworten, die aus der Reihe tanzen:

  1. An meinem ersten Turnfest habe ich …
    … über die Grösse des Eidgenössischen Turnfests in Bern gestaunt.
     
  2. Das kann ich am besten kochen: heisses Wasser.
     
  3. Diese Sportart kann ich innerhalb des Turnverbandes richtig schlecht: Speerwerfen.
     
  4. So verbringe ich mein Wochenende am liebsten: Ein Mix aus Sport und Erholung sowie guten Freunden.
     
  5. Meine persönlichen sportlichen Ziele in den nächsten fünf Jahren: Uh, soll ich das nun verraten? … Einen Marathon unter 3 Stunden und 30 Minuten zu laufen.

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