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An der Kunstturn-EM diesen Frühling in Antalya (TUR) feierten Lena Bickel und Luca Giubellini ihre Feuertaufe auf der internationalen Bühne. Ein halbes Jahr später hinterliessen die 18-jährige Tessinerin und der 20-jährige Aargauer zum ersten Mal auch an Weltmeisterschaften ihre Spuren – und diese könnten grösser nicht sein. Mit dem 39. Rang in der Qualifikation sicherte sich Bickel als Einzelturnerin einen Olympia-Startplatz für die Schweiz. Sie setzt so die 20-jährige Erfolgsgeschichte der Schweizer Kunstturnerinnen an Olympia fort. Giubellini sicherte sich gemeinsam mit seinen Teamkollegen nicht nur einen Startplatz für das Männerteam an den Olympischen Spielen in Paris, sondern sorgte zwei Tage später im Teamfinal mit dem fünften Schlussrang mit der Mannschaft für ein «historisches» Schweizer WM-Ergebnis. Entsprechend positiv blicken die beiden Neulinge auf ihre Premieren-WM zurück. «Es war sehr gut», sagt Bickel und lacht und Giubellini ergänzt: «Die Stimmung und die Atmosphäre in Antwerpen waren mega cool.»
Trotz vielem Positiven sieht Giubellini in seinen persönlichen Leistungen auch Verbesserungspotenzial: «Turnerisch ist es mir nicht ganz so gelaufen, wie ich es mir gewünscht habe.» Er spricht dabei seine Pferd-Übung in der Qualifikation, sowie den Sturz am Boden im Teamfinal an. «Am Ende zählt aber das Resultat und dieses hat aus Team-Sicht gestimmt. Also passt es so», ergänzt Giubellini. Zurecht freuen kann sich auch Lena Bickel. Nach einer Vorbereitung, bei der sie immer wieder mit kleineren Blessuren zu kämpfen hatte, seien es sehr viele positive Gefühle, die sie an ihre ersten WM-Tage hat: «Wettkampf und Training waren für mich wirklich super.» Gemischter sind derweil wenige Stunden nach dem Teamfinal Luca Giubellinis Gefühle: «Momentan ist es deshalb gerade ein wenig ein Hin und Her in meinem Kopf.»
«Keiner von uns erwartet»
Der Aargauer gewinnt zu Recht aber viel Positives ab. «Dass es für uns in den Teamfinal gereicht hat und wir dort als Mannschaft eine solche Leistung abliefern konnten, hatte keiner von uns erwartet», freut er sich. Umso schöner seien deshalb diese Resultate. «Ein fünfter Rang in einem WM-Teamfinal lässt sich sehr wohl zeigen», sagt er und schmunzelt. Zeigen lässt sich auch die Olympia-Qualifikation als Einzelturnerin von Lena Bickel. Nach Melanie Marti (2004), Ariella Kaeslin (2008) und Giulia Steingruber (2012, 2016 und 2021) wird die Tessinerin die vierte Schweizer Kunstturnerin innert zwei Jahrzehnten sein, welche die Schweiz, sofern sie von Swiss Olympic selektioniert wird, olympisch vertreten darf.
«Ich habe die Qualifikation noch nicht realisiert. Ich weiss zwar, dass ich etwas Grossartiges geleistet habe, aber es ist für mich immer noch surreal», lässt Bickel durchblicken. Ähnlich tönt es bei Giubellini: «Diese Leistung einzuordnen fällt mir schwer. Was wir als Team geleistet haben, ist immens. In Worte zu fassen ist schwierig.» Realisieren werde er es wohl erst, wenn er wieder zu Hause sei.
OS-Gedanken machten Bickel nervöser
Im Wettkampf kämpften Bickel und Giubellini nicht nur um jeden Zehntelpunkt, sondern auch mit der Nervosität. «Der Gedanke an Olympia war immer in meinem Hinterkopf und hat mich nervöser gemacht als die WM-Premiere an sich», gesteht Bickel. Unter Druck gesetzt habe sie sich selber wegen dieser Chance zwar nicht: «Ich wusste vor dem Wettkampf aber, dass meine Chancen intakt sind.» Sie habe sich deshalb immer eingeredet, sich einfach auf den Wettkampf zu konzentrieren und versuchte die Olympia-Gedanken zu verdrängen. Der Rest sei die Grundnervosität gewesen, die sie während eines Wettkampfes immer verspüre. «Ich bin nicht so gut im Umgang mit Nervosität», sagt sie und lacht. Ihr helfe es dabei Musik zu hören und sich so auf andere Gedanken zu bringen.
Angespannter als sonst war auch Luca Giubellini. Dies habe aber damit zu tun, dass bei einem Team-Wettbewerb die Leistung nicht nur auf das eigene Abschneiden einen Einfluss hat, sondern die ganze Mannschaft darunter leiden könnte. «Da habe ich mir schon mehr Gedanken gemacht als sonst», sagt er und fügt hinzu: «Es war meine erste WM, da darf man schon nervöser sein als üblich.» Er selber habe zwar versucht möglichst cool zu bleiben. «Das ist mir aber anscheinend nicht wirklich gelungen», so sei jedenfalls die Meinung seiner Teamkollegen, ergänzt Giubellini. Die Erfahrungen, die er bereits an der EM in Antalya sammeln konnten, hätten ihm aber an dieser WM sehr geholfen: «So wurde ich in Antwerpen nicht ins kalte Wasser geworfen, sondern wusste, was mich erwarten wird.»
«Konnte die Tränen nicht zurückhalten»
Sowohl Giubellini als auch Bickel nehmen von ihrer WM-Premiere viel mit. «Der Umgang mit einem Anlass in dieser Dimension hilft mir ganz sicher für die Zukunft», sagt beispielsweise Lena Bickel und Giubellini spricht insbesondere den guten Teamgeist an, welchen sie in der Mannschaft während dieser WM gehabt haben.
Angesprochen auf einen prägenden Moment an den Weltmeisterschaften meinen beide den Moment, als klar war, welches Resultat sie erreicht haben, beziehungsweise die Olympia-Qualifikation sicher war. «Ich musste nach meinem Wettkampf noch zwei Subdivisionen abwarten, ehe es klar war. Ich war so nervös, da ich nach meinem Wettkampf eigentlich nicht mehr damit gerechnet hatte», blickt Bickel auf diese Stunden der Ungewissheit zurück. Plötzlich habe sie zahlreiche Glückwunsch-Nachrichten erhalten. «Als mich David Huser kontaktiert hat und erzählte, dass es für die Olympia-Qualifikation gereicht hat, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten», erzählt Bickel und Giubellini meint: «Die Erleichterung nach den Wettkämpfen war jeweils gross. Es war der Moment, bei dem wir zurückblicken konnten und uns bewusstwurde, dass unsere Leistungen gut waren.»
Mit ihren Leistungen haben Bickel und Giubellini ein deutliches Zeichen gesetzt, dass Antwerpen zwar ihre ersten Weltmeisterschaften waren, aber wohl nicht die letzten in ihrer noch jungen Karriere.