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«Es ist das Pflichtgefühl, dass man der Erde möglichst wenig Schaden zufügt, die Region unterstützt und die beteiligten Personen wertschätzt», sagt Sarina Sigg. Sigg war am Zürcher Kantonalturnfest Wyland im vergangenen Juni gemeinsam mit Priska Steiger und Michèle Geniets für den Bereich Nachhaltigkeit verantwortlich. Ein Turnfest mit 15’000 Turnenden stellt auch eine Belastung für die Umwelt dar. Damit diese Einwirkungen möglichst klein gehalten werden konnten, wurde vom Organisationskomitee in mehreren Hinsichten nachhaltig gehandelt.
Dass der Nachhaltigkeitsaspekt im Turnsport schon vor Jahren Einzug gehalten hat, zeigen unter anderem die Nachhaltigkeitsberichte der beiden Eidgenössischen Turnfeste 2013 in Biel und 2019 in Aarau. Dass die Thematik beim Schweizerischen Turnverband schon länger eine Wichtigkeit hat, zeigte sich nicht zuletzt auch mit der Unterzeichnung des STV der Commitments «Sport schützt Umwelt», die vor einem Jahr von Swiss Olympic formuliert wurden. Der STV gehörte damals zu den elf Sportverbände, die sich zum Engagement im Bereich Umwelt verpflichtet haben.
Auf intakte Umwelt angewiesen
Der Sport und insbesondere das Turnen ist auf eine intakte Umwelt angewiesen. Ebenso ist die Umwelt auch abhängig von einer rücksichtsvollen Sportausübung. Der Sport hat somit positive als auch negative Auswirkungen auf die Umwelt. Weil dies vielen Turnenden klar ist, wird umweltbewusstes Verhalten im Sport immer mehr gefördert und gelebt.
Für Anlässe wie Turnfeste sind die Organisatoren auf intakte, vielfältige und zugängliche Landschaften und umweltverträgliche Sportanlagen angewiesen. «Wir sind uns bewusst, aus ökologischer Sicht wäre das nachhaltigste Turnfest jenes, dass nie stattgefunden hätte», so das Nachhaltigkeitsteam des KTF Wyland. Weil die Turnenden aber für ihre Turnfeste leben, sei man umso mehr in der Verantwortung, das bestmögliche für ein nachhaltiges Fest zu tun. «Ein Turnfest fördert automatisch den sozialen Aspekt, was mit den Bereichen Gesellschaft abgehandelt wird. Dieser zählt neben Umwelt und Wirtschaft zu den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit», ergänzen Sigg, Steiger und Geniets.
Damit sich Turnanlässe generell immer mehr nachhaltig entwickeln, sollten alle diese drei Bereiche der Nachhaltigkeit gefördert werden. Gerade weil der Bereich Gesellschaft in Turnkreisen bereits grossgeschrieben wird, war es den Verantwortlichen am Kantonalturnfest im Wyland ein besonderes Anliegen auch die Umwelt genügend zu berücksichtigen.
Drei «R» für wenig Abfall
Für das Zürcher Kantonalturnfest wurden Nachhaltigkeitsziele gesetzt und zahlreiche Massnahmen zur Umsetzung definiert. Zwei davon seien besonders zentral behandelt worden, erklärt das Trio. Einerseits die regionale Wertschöpfung, sowie das «Drei R-Modell» im Abfallbereich. Dieses sah «reduce» (vermeiden), «reuse» (wiederverwenden) und «recycle» (fachgerechtes Entsorgen) vor. «Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, möglichst wenig Abfall zu produzieren», sagen die Verantwortlichen. Auf dem gesamten Festgelände kamen Mehrwegbecher zum Einsatz und die Abfalleimer zur Abfalltrennung wurden grosszügig verteilt. «Es gab Massnahmen mit grösserem und kleinerem Impact. Aber jede kleine Massnahme sollte gefördert werden. Es wurde versucht, so viele wie möglich umzusetzen», betont die Nachhaltigkeitscrew.
Regionale Wertschöpfung
Dem KTF-OK war es auch ein grosses Anliegen, dass die regionale Wirtschaft, wo immer möglich, unterstützt und bevorzugt werden konnte. Unter anderem mit einem regionalen Bäckerring, der die Brotlieferung vor Ort sichergestellt hatte. Zudem griff man auf zahlreiche Firmen und Personal aus dem Zürcher Weinland zurück: «So konnten wir einen grossen Teil der Wertschöpfung in unserer Region behalten.»
Ein essenzieller Punkt in der Nachhaltigkeit, sei auch die An- und Abreise der Turnenden und Besuchenden gewesen. Mit der Benützung des öffentlichen Verkehrs als Hauptverkehrsmittel konnte bei einer der grössten Umweltbelastung ein wichtiger Bereich abgedeckt werden.
Einen nachhaltigen Anlass zu organisieren ist teilweise mit Mehrkosten verbunden. Da vieles sowieso organisiert werden musste, konnte bereits zu Beginn der Planungsarbeiten der Aspekt der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. So konnten die Mehrkosten in Grenzen gehalten werden. «Wir wollten auf keinen Fall mit dem Fest einen finanziellen Verlust schreiben. Deshalb waren wir in der Nachhaltigkeit auch zu Abstrichen gezwungen», sagen die Nachhaltigkeitsverantwortlichen und ergänzen: «Es musste eine gute Balance zwischen dem finanziellen Aufwand und der Nachhaltigkeit gefunden werden.» Das Credo des Teams lautete: «Wir machen was wir können und wir sind stolz darauf, einen Beitrag in die richtige Richtung geleistet zu haben.»
Es muss vorgelebt werden
Stefan Riner, Geschäftsführer des ETF Aarau 2019, widmete sich in seiner Diplomarbeit an der Hochschule St. Gallen der Nachhaltigkeit im Turnsport. Unter dem Titel «Das Swiss Olympic Engagement ‹Sport schützt Umwelt›: Auf die Ökologie fokussierte Massnahmen für den Schweizerischen Turnverband» reichte er im Februar 2023 seine Arbeit ein.
Stefan Riner, wieso ist Nachhaltigkeit im Turnsport wichtig?
Stefan Riner: Nachhaltigkeit ist überall wichtig. Gerade in der Wirtschaft und in der Politik ist das Thema allgegenwärtig. Da ist es nur normal, dass auch im Sport die Nachhaltigkeit thematisiert werden muss. Beim Erarbeiten meiner Arbeit habe ich gemerkt, dass Nachhaltigkeit bei vielen Verbänden ein grosses Thema ist. Dennoch ist man vielerorts noch nicht da, wo man gerne stehen würde.
Welche Erkenntnisse ziehst du aus deiner Arbeit?
Dass die Nachhaltigkeit in den Sportkreisen angekommen ist. Den meisten ist bewusst, dass man in dieser Hinsicht etwas unternehmen muss. Oft sind es aber erst einzelne Nadelstiche, die mit vereinzelten Projekten gesetzt wurden. Viele Verbände und Vereine sind zwar am Erarbeiten einer Strategie, abgeschlossen sind diese aber grösstenteils noch nicht. Eine gesamtheitliche Strategie fehlt bisher. Swiss Olympic hat mit dem Engagement «Sport schützt Umwelt» nun im Bereich Umweltschutz dieses Thema in Angriff genommen, steckt aber ebenfalls noch in den Kinderschuhen. Die ETFs 2013 und 2019 haben gezeigt, dass man bei Veranstaltungen in dieser Hinsicht schon weit fortgeschritten ist. Im Vereinsalltag ist Nachhaltigkeit aber praktisch noch kein Thema.
Wo siehst du entsprechend am meisten Handlungsbedarf?
Was man bei einzelnen Vereinen im Nachhaltigkeitsbereich erreichen kann, ist sehr individuell und kommt auf die Stärke der treibenden Kräfte in den Vorständen oder auch auf die Erwartungen der Mitglieder an. Da kommen dann auch die Verbände ins Spiel. Diese sollten das Thema vorleben und den Vereinen in dieser Hinsicht Hilfestellungen und Tipps weitergeben. Das ist das A und O. Wichtig ist, dass die Verbände auch etwas bewirken möchten und die Priorität des Themas Nachhaltigkeit entsprechend hoch oben verankert ist. Bei den Vereinen sind die Möglichkeiten, bei denen sie selber Einfluss nehmen können, oftmals beschränkt; beispielsweise bei der Hallenbewirtschaftung, die oftmals von den Gemeinden geregelt wird.
Was gilt es bei einer Nachhaltigkeitsstrategie aus deiner Sicht zu beachten?
Das Wichtigste ist, dass einem Engagement in diesem Bereich auf der strategischen Ebene eines Vereines oder Verbandes genügend Gewichtung gegeben wird und nicht nur eine Marketingabsicht dahintersteckt. Sonst besteht schnell die Gefahr des «Greenwashing»-Verdachts. Es müssen zudem genügend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um sich diesem Thema ernsthaft annehmen zu können. Schliesslich müssen die Massnahmen aus dieser Strategie einfach anwend- und umsetzbar sein, weil ansonsten die Akzeptanz an der Basis fehlt. Sie müssen Sinn machen und der Erfolg sollte irgendwie sichtbar sein. Im Idealfall werden die Ziele und Massnahmen gemeinsam mit den verschiedenen Interessensgruppen einer Organisation definiert und erarbeitet. Das steigert die Akzeptanz und Motivation bei der Umsetzung.
Bieler setzten neue Standards
Einen grossen Schritt in Sachen Nachhaltigkeit machte man vor zehn Jahren auch bereits am Eidgenössischen Turnfest in Biel (ETF). Das ETF 2013 wollte in diesem Bereich neue Standards für einen Anlass in dieser Grösse setzen und als Vorbild dienen. So nutzte das ETF in Biel zu 100 Prozent zertifizierten Ökostrom. Über 90 Prozent der Teilnehmenden reisten mit dem öffentlichen Verkehr an und nahezu 100 Prozent der Infrastrukturen wurden wiederverwendet. In Aarau beschloss man 2019 die bewährten Massnahmen in Sachen Nachhaltigkeit von Biel zu übernehmen. Am ETF 2019 lagen die Schwerpunkte des Nachhaltigkeitskonzeptes im Bereich der Abfallbewirtschaftung und Mehrweg-Thematik. Aus dem ETF-Schlussbericht geht hervor, dass die gesetzten Ziele mehrheitlich auch erreicht wurden.
Sarina Sigg, Priska Steiger und Michèle Geniets vom KTF Wyland 2023 betonen abschliessend: «Unser Ziel war es in allen drei Bereichen der Nachhaltigkeit und in allen Ressorts noch einen Schritt weiterzudenken als die letzten Turnfeste. Wir haben das getan, was in unserem Ermessen möglich war.» Für nachfolgende Feste gibt Sigg mit auf den Weg, möglichst früh mit der Nachhaltigkeitsplanung anzufangen. «Je früher alle miteinbezogen werden, umso mehr wird der Nachhaltigkeitsgedanke während der Erarbeitung des Turnfestes gelebt.» Die verschiedenen Turnfeste haben gezeigt, dass durch den Sport umweltverträgliches Handeln gefördert werden kann. Dieses Potenzial gilt es auch gemäss den «Swiss Olympic»-Commitments zu nutzen. Wenn der Sport die Umwelt schützt, gewinnen am Ende beide.
Die sieben Commitments «Sport schützt Umwelt»
Swiss Olympic hat zusammen mit den teilnehmenden Mitgliedsverbänden und Partnerorganisationen das Engagement «Sport schützt Umwelt» lanciert. Das Engagement besteht aus sieben Commitments, bei welchen der Sport den grössten Einfluss hat. Sie sollten die Grundlage einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Sportförderung bilden.
1. Wir informieren
und motivieren unsere Mitglieder und Sporttreibenden zu umweltbewusstem Sportverhalten und bieten entsprechende Unterstützung.
2. Wir setzen uns ein
für dem Sport zugängliche, vielfältige Naturräume, Naherholungsgebiete und umweltfreundliche Sportanlagen. Wir schonen die Umwelt durch rücksichtsvolles Verhalten, angepasste Wegwahl oder durch das Meiden empfindlicher Gebiete beim Sporttreiben. Sportanlagen bauen wir energieeffizient und umweltverträglich nach Nachhaltigkeitsstandards (z.B. Minergie, BREEAM, LEED). Beim Nutzen von Anlagen minimieren wir den Energie- und Ressourcenverbrauch.
3. Wir fördern
die positiven Auswirkungen des Sports auf die Umwelt. Insbesondere fördern wir die Biodiversität und Naturräume, wo sie unserem Sport zugänglich sind. Dafür wird die Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen angestrebt.
4. Wir ergreifen
eigene Massnahmen zum Klimaschutz und reduzieren die Treibhausgasemissionen unserer Verbandsaktivitäten kontinuierlich. Als Organisation verfolgen wir ein Netto-Null-Ziel bis 2050. Wir unterstützen unsere Mitglieder, Vereine und Sporttreibenden in der Reduktion ihres CO2-Fussabdrucks im Sport.
5. Wir beschaffen
Materialien, Bekleidung und Sportgeräte nach international anerkannten, nachhaltigen Kriterien (gemäss den Good-Practice Empfehlungen der Wissensplattform nachhaltige öffentliche Beschaffung) und halten unsere Mitglieder dazu an, dasselbe zu tun.
6. Wir führen
unsere Veranstaltungen nachhaltig durch. Dafür orientieren wir uns an den Empfehlungen von «saubere veranstaltung». Sportevents ab 300 Personen kommunizieren ihre Massnahmen mit einem Event-Profil oder vergleichbaren Mitteln.
7. Wir evaluieren
unsere Anstrengungen im Umweltschutz regelmässig, kommunizieren diese transparent an die Öffentlichkeit und verbessern uns stetig. Wir beschaffen fehlende Informationen über Sport und Umwelt, wo Wissenslücken bestehen. Wir tauschen uns regelmässig aus und geben unsere Erfahrungen weiter.